Das ist so eine Sache mit mir und der Handarbeit. Das fing schon nicht gut an. In der Grundschule hatte ich eine Handarbeitslehrerin, die mir weniger gewogen war, als alle anderen Lehrer, mit denen ich in der Folge zu tun hatte. Das einzige, was ich von ihr bis heute behalten habe, ist der Spruch „Mädchen, die pfeifen, und Hühner, die krähen, soll man beizeiten den Hals umdrehen“. In der Folge vervollständigte meine Mutter einige meiner Werkstücke, was aufgrund ihres eigenen eingeschränkten Talents auf dem Gebiet auch nicht weiter auffiel. Noch heute erinnere ich mich mit Schaudern an ein Bild von einem Paar in Trachtengewand, eine Kreuzstichscheußlichkeit der besonderen Art. Es mangelte mir also von Anfang an, an Talent und Förderung. So glaubte ich jedenfalls.
Jahrzehnte lang führte ich in der Folge dann ein handarbeitsfreies Leben. Ich zeichne mich durch eine außerordentliche Kopflastigkeit aus und es erschien mir lange als Dummheit mit meinen Händen zu arbeiten, wenn ich doch viel weiter komme, wenn ich mein Hirn anstrenge. Wozu also Handarbeit? Nach Spitzendeckchen krähte kein Hahn und ich hätte auch nie einen selbst gestrickten Pullover angezogen (selbst, wenn jemand anderer ihn gestrickt hätte).
Mit den Kindern kam so nach und nach wieder mehr Bastelei in mein Leben. Plötzlich befreit von dem Anspruch Herausragendes produzieren zu müssen, konnte ich munter vor mich hin werkeln. Zum einen war mir schon immer jedes Mittel recht, um mich vorm Lego Spielen zu drücken, zum anderen stellte ich fest, dass man Freude auch ohne Talent haben kann. Es gibt sogar Momente, da denke ich, mein kreatives Talent ist gar nicht so klein, es war einfach mein Anspruch, der so groß war. Das verstaubte Image der Handarbeit war allerdings auch nicht hilfreich.
Aber das scheint sich zu wandeln. Die Welt ist plötzlich voller Selbermacher, voller neuer, cooler Magazine und auch wir teilen unsere Bastelfreuden fleißig mit anderen auf den Seiten der Handmade Kultur. Daneben zeichnen meine Lieblingswaldorferziehungsbücher gerne ein Bild nach, das mich glauben lässt, würde ich nur handarbeiten, dann würden sich meine Kinder friedvoll zu meinen Füssen scharren und dort in anheimelnder Atmosphäre stundenlang ohne Streit spielen. Also starte ich damit, die Stricklieseln meiner Söhne (es werden damit ausnahmslos Piratenseile produziert, falls da irgendein ewig Rückständiger lästern will) weiter zu bearbeiten, wenn sie erschöpft sind. Die gewählte wunderschöne Dochtwolle ist scheinbar keine Anfängerwolle. Jetzt erinnere ich mich wieder, dass das früher auch immer so streng war bei meinen Strickereien. Meine Finger krampfen sich um die Strickliesel, ich zerre und kämpfe. Muskeln verkrampfen sich, Knöchel treten weiß hervor, Nagellack splittert, von Entspannung keine Spur. Ich brauche Hilfe!
In unserer Schule gibt es jetzt einmal im Monat einen Nachmittag, an dem die Mütter zusammenkommen und für den nächsten Basar handarbeiten, während unsere Schulleiterin mit uns über Erziehungsfragen diskutiert. Zugegebenermaßen bei der Vorstellung musste ich zunächst, den Schock, den das prähistorische Bild eines derartigen Frauenzirkels (Ansammlungen von Frauen waren mir früher so suspekt wie Handarbeiten) in mir auslöst, erst einmal abschütteln. Aber ich lege durchaus Wert auf die Ansichten unserer Direktorin und freue mich auf das Zusammensein mit den anderen Müttern. Und wenn es sein muss, dann stricke ich halt. Kann ja nicht so schwer sein. Außerdem gibt es ja heutzutage nichts mehr, was nicht schon mal jemand auf youtube vorgemacht hat. Ich habe dort schon Erhellendes gelernt, zum streifenfreien Auftragen von Selbstbräuner, genauso wie zum Verschnüren von Rollbraten. Wird sich ja wohl das Stricken lernen lassen.
Mittlerweile ist erwiesen, wie positiv sich Handarbeiten auf das Gehirn auswirkt. Es reduziert Stress, spendet Zufriedenheit und beeinflusst bei Heranwachsenden die Vernetzung im Gehirn positiv. Ja, dann ….geh ich jetzt mal für mein Gehirn Wolle kaufen.
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