Hausgeburt

Eine Freundin von mir plant die Geburt Ihres dritten Kindes. Nach zwei mehr oder eher weniger beglückenden Geburtserlebnissen, überlegt sie, ob eine Hausgeburt für sie in Frage kommt. Dazu hat sie um meine Meinung gebeten. Darum für Michaela und alle die das interessiert:

Mein persönlicher Vergleich Klinikgeburt gegen Hausgeburt.
Leo als erstes Kind war die Klinikgeburt. Objektiv betrachtet handelte es sich wohl um eine ganz durchschnittliche Klinikgeburt. Ich hatte seit 5h in der Früh Wehen, um 9.30h sind wir in der Klinik angekommen, um13.30h war er dann da. Wir hatten Wehenmittel und sind am Kaiserschnitt vorbeigeschrammt. Die ganze Angelegenheit habe ich in der Summe vor allem als Autonomieverlust empfunden. Problem war für mich auch die Tatsache, dass ich vorher einen eher alternativen Geburtsvorbereitungskurs in einem Geburtshaus besucht hatte und dieses Wissen plus die unverzichtbaren Weisheiten der Ingeborg Stadelmann aus „Die Hebammensprechstunde“ dann auf den Klinikalltag prallten. Eine unangenehme Diskrepanz tat sich auf.

Ich hatte sicher eine ganz kompetente und nette Hebamme in der Klinik. Die mich aber eben nicht kannte (in Östereich gibt es leider nicht überall Beleghebammen), und nicht wusste, was sie an Wissen, Persönlichkeit und Kraft voraussetzen kann. Ehrlich gesagt, hat mich schon aufgeregt, dass sie mir nachdem ich mich zu Beginn übergeben hatte, erklärt hat, dass das bei einer Geburt ganz normal ist. Als wüsste ich das nicht!!!;-) Es hat mich sehr gestört, dass ich dauernd mit ihr hätte reden sollen (ganz schlecht, weil es Hirnregionen anspricht, die für die Geburt nicht benötigt werden bzw. eher behindern) und ich dauernd Untersuchungen über mich ergehen lassen musste. Und dass die für die Hebamme rückenschonende Geburtshaltung „auf dem Rücken liegend“ auf der Dämlichkeitsliste der Geburtshaltungen gleich nach Kopfstand rangiert, spielte leider auch keine grosse Rolle.
Fazit: Es war kein traumatisches Geburtserlebnis, aber mich hat es schon sehr genervt. Das hängt sicher auch mit mir zusammen. Ich lass mir ganz ungern von jemand anderem irgendwelche Befehle erteilen, dessen Kompetenz mir nicht gesichert erscheint.
Ich habe zwar dann 5h nach der Geburt die Klinik verlassen (das war auch vorher schon so geplant), weil ich mehr Bevormundung nicht ertragen hätte. Allerdings ging ich nicht aus der Klinik mit dem Gedanken „beim nächsten Kind muss es eine Hausgeburt sein“.
Mir ist zwar im Laufe der Zeit und der nächsten Schwangerschaft klar geworden, dass eine Hausgeburt für mich das richtige wäre. Ich hätte aber nicht damit gerechnet, dass Johannes da mitzieht. Bei einem Gespräch war ich also überrascht, dass das für ihn durchaus eine Option wäre. Eine Hebamme dafür zu finden, ist  gar nicht immer so einfach. Ich hatte allerdings bei Leo eine ganz wunderbare Nachsorgehebamme , die auch –wenn ihr die Eltern zusagen und sie insgesamt ein gutes Gefühl bei der Sache hat- ein paar Hausgeburten im Jahr macht.
Die Hausgeburt an sich verläuft komplikationsärmer als die Klinikgeburt, weil weniger Störfaktoren die normalen Geburtsprozesse stören. Deshalb stellt die WHO die Hausgeburt hinsichtlich ihres Risikos auch gleichberechtigt neben die Klinikgeburt. Die generellen Risiken bestehen hier eher in der Nachgeburtsphase für die Mutter.

Ich hätte ganz sicher keine Hausgeburt um jeden Preis gewollt. Aber es war eine komplikationslose Schwangerschaft, das Kind lag richtig, alle Beteiligten waren bis zum Schluss bereit dazu und wir hätten es auch nicht weit in die Klinik gehabt. Auch die Tatsachen, dass die zweite Geburt statistisch die problemloseste ist, hat mir Sicherheit gegeben.

Auf Begeisterung ist unser Entschluss in unserer Umgebung eher nicht gestoßen, aber auch zu harsche Kritik hat uns nicht getroffen. Mit einer Haugeburt macht man sich bereits vor der Geburt die volle Tragweite der Verantwortung für das Kind bewusst, ansonsten dämmert einem die wohl erst so nach und nach, wenn man die Klinik verlässt. 
Dann kam also unser Christkind. Erst um 13.30h war ich mir sicher, dass es tatsächlich losgeht. Die nächsten 2h bin ich auf einem Gymnastikball rumgehopst und konnte so die Wehen sehr gut ertragen. Um 15.30h habe ich dann mit der Hebamme telefoniert, die bereits informiert war. Wir diskutierten, ob sie jetzt noch in die Christmette geht oder gleich kommt. Ich war unschlüssig, sie hat entschieden, dass sie gleich kommt. Um 16h war sie da und um 17h war Matteo auf der Welt. Die Stunde dazwischen war allerdings heftig. Alles ging so schnell, dass Ursula hinterher fast enttäuscht war, dass sie nicht ein bisschen Hebammenhokuspokus anwenden konnte. Nach einer Stunde kam Leo mit meiner Schwägerin und gab seinem Bruder den ersten Kuss, den er je verteilt hat.
Ja, für mich war die Hausgeburt sicher besser. Aber ein glückseliges, gar orgiastisches (soll es geben) Ereignis war das für mich auch nicht. Bei beiden Kindern gab es kurz vor der Geburt einen Punkt, wo ich einfach weg wollte, meine Haut retten. Nix mit romantischer Mutterliebe und die letzten Kräfte für das Kind mobilisieren. Einfach nur „weg hier und ein Kind will ich überhaupt nicht“. Eine Geburt ist eine Geburt ….. auch zuhause. Man braucht dafür Mut und irgendwie auch ein Maß an Gewaltbereitschaft. Ich glaube, wenn man sich dem Schmerz und der Zerreißprobe verweigert, dann muss der Chirurg das mit dem Skalpell erledigen.

Auch hatte ich bei beiden Geburten nicht diese überbordende Liebe beim Anblick meiner (wirklich wunderschönen;-)) Kinder. Der Wehencocktail bei der ersten Geburt hat das normale Hormonsystem durcheinandergebracht und das vielleicht verhindert. Bei Matteo ging alles so schnell, dass entsprechende Endorphinausschüttung vielleicht gar nicht in Gang kam. Vielleicht ist aber auch das ein Mythos und es gibt mehr Mütter, die ihren Kinder als eher fremde Person empfinden, die sie von Tag zu Tag mehr kennen und lieben lernen. 
Eine Geburt ist nie, wie man sie sich ausmalt. Es treibt einen an den Rand der eigenen Existenz. Es ist eine Grenzerfahrung, die ich beim ersten Kind nicht zuhause hätte machen wollen. Und bei einem dritten Kind………würde ich es wohl mit Hypnose versuchen ;-).

Für mich war die Hausgeburt die bessere Geburt. Wer allerdings ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis hat, der fühlt sich vielleicht in der Klinik wesentlich wohler. Eine persönliche Entscheidung, die zu einem passt, ist immer richtiger als, die Meinung anderer.

Ein Gedanke zu „Hausgeburt

  1. Pingback: Das geht uns alle an…eine Liebeserklärung an die Hebamme | Kinderjubel; Basteln, Lesen, Gedanken, Rezepte, Reisen mit Kindern.

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